Stichwort ‚Rechtsstaat‘

Ich bin ja ein bisschen schwer von Begriff, und so gibt es auch rund um das G20-Theater ein paar Sachen, die ich nicht so ganz verstehe – zum Beispiel das etwas merkwürdige Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, das sich zur Zeit bei einigen Leuten in ihren Reaktionen auf jedwede Kritik am Polizeieinsatz in Hamburg offenbart.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe grundsätzlich große Hochachtung vor Polizisten und bin ihnen sehr dankbar, dass sie ihre Köpfe unter oft miesen Arbeitsbedingungen hinhalten, damit ich sicherer leben kann. Und ich sympathisiere NULL mit Randalierern. Keine Überzeugung und kein tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten von Polizei und Politik können entschuldigen, was sich da in den letzten Tagen in Hamburg abgespielt hat. Das ist schlicht und ergreifend ein hochgradig kriminelles und asoziales Verhalten, und ich befürworte jede daraufhin durchgeführte Verhaftung und jedes dementsprechende Gerichtsurteil.

War das deutlich genug?

Denn: Wann immer jemand in den letzten Tagen eine kritische Beleuchtung des Hamburger Polizeieinsatzes gefordert hat, wurde ihm schnell unterstellt, die Krawalle zu verharmlosen und die Polizei durch den Dreck zu ziehen. Ganz so, als könne man entweder nur gänzlich hinter allem stehen, was G20-Gegner tun, oder nur gänzlich hinter allem, was Polizisten tun. Dabei ist es doch eine zentrale Errungenschaft des Rechtsstaats, dass die Polizei eben nicht über dem Gesetz steht und der Einsatz von Reizgas, Schlagstock und der Schusswaffe zwar möglich sein muss, aber immer in einer verhältnismäßigen Weise.

Ich finde es höchst bedenklich, wenn die Forderung nach Überprüfung dieser Verhältnismäßigkeit gleichgesetzt wird mit einer Sympathie für kriminelles und asoziales Verhalten, oder einem pauschalen Angriff auf die, die so einem Verhalten entgegentreten. Denn – Achtung, Binsenweisheit – Polizisten sind auch nur Menschen. Anders als beim Verhalten der Krawallmacher kann ich nachvollziehen, wenn einem völlig übermüdeten Beamten nach zwei Tagen voller Pöbeleien und anderer Angriffe der Gummiknüppel ausrutscht. Aber nachvollziehbar heißt nicht gut und richtig, und Nachvollziehbarkeit entschuldigt nicht alles.

Neben der Aufarbeitung von Verfehlungen auf dieser individuellen Ebene kommt etwas zweites dazu: Eine ergebnisoffene Überprüfung der polizeilichen Gesamtstrategie. Ich betone hier das Stichwort ergebnisoffen. Kann ja durchaus sein, dass die Strategie angemessen war. Das Verhalten des schwarzen Blocks war jedenfalls mit Sicherheit keine spontane Reaktion auf irgendwelche polizeilichen Übergriffe, sondern geplanter Vandalismus mit Ansage. Vielleicht wäre es also mit einer „weicheren“ Strategie genauso oder viel schlimmer gekommen, ich weiß es nicht.

Und weil ich es nicht weiß, wüßte ich gerne, was unabhängige Experten dazu sagen – die zahlreichen Sach- und Personenschäden rechtfertigen dieses Hinschauen nicht nur, meines Erachtens machen sie es sogar zwingend erforderlich. Wenn dabei herauskommt, dass Innensenator und Polizeiführung im Rahmen des Möglichen gute Arbeit gemacht haben, dann sage ich: Lob, Dank und Anerkennung! Aber wenn sich herausstellt, dass die Strategie vorhersehbar unangemessen war und sogar eskalierend gewirkt hat, dann muss das Konsequenzen haben. Und das nicht aus Sympathie mit den Randalieren (s.o.), sondern aus Respekt vor den Polizisten im Einsatz und den Hamburger Anwohnern, die es ausbaden mussten.

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