PEGIDA – Es wurde alles gesagt, aber noch nicht von jedem

Nun also noch mein Senf – nicht zuletzt auch durch Leute in meinem Bekanntenkreis motiviert, die PEGIDA durchaus positiv gegenüber stehen.

Um es gleich zu sagen: Ich glaube nicht, dass alle PEGIDA-Sympathisanten rechtsextrem oder gar Neonazis sind. Mit dieser Unterstellung macht man es sich zu einfach. Umgekehrt sind die Kritiker von PEGIDA & Co aber auch nicht alle verblendete Gutmenschen, die den „System-Medien“ auf den Leim gegangen und deshalb sowieso ahnungslos sind. Oder Links- und Öko-Faschisten. Wer also auf diesem Niveau diskutieren will, möge das woanders tun, ich habe dafür weder Zeit noch Lust (und werde auch nicht auf entsprechende Kommentare eingehen bzw. diese ggf. löschen).

Fakt ist, dass der Arm von PEGIDA weit ins bürgerliche Lager hineinragt. Viele der 15.000 „Spaziergänger“ von letztem Montag sind ganz normale Leute, die in der Wahlkabine noch nie ihr Kreuzchen bei der NPD gemacht haben und gerne beim Inder oder Chinesen essen gehen, sich aber mit ihren Ängsten im Hinblick auf die deutsche Einwanderungspolitik übergangen fühlen. Dazu kommt, dass die im Internet veröffentlichten Forderungen von PEGIDA (http://pegida.de/wp-content/uploads/2014/12/pegida-positionspapier.pdf) insgesamt durchaus gemäßigt klingen (Einiges davon könnte ich sofort unterschreiben, verschiedenes Anderes ist meines Erachtens zumindest diskutabel). Also alles halb so wild, vielleicht sogar eigentlich ganz gut so?

Nein. Denn der sachlichen, vernunftorientierten Selbstdarstellung im Netz steht eine real existierende Grundstimmung aus pauschalisierenden Ressentiments, Verschwörungstheorien, Ablehnung von Andersdenkenden und dumpfer Wut gegen „die da oben“ gegenüber, die sich bei PEGIDA immer wieder Bahn bricht – im Kommentarbereich der einschlägigen Facebook-Seiten ebenso wie in Statements auf den Demos. Und das liegt nicht nur an irgendwelchen Trittbrettfahrern, die man bei bestimmten Themen immer wieder findet; es geht von den Initiatoren selbst aus. Kurz und salopp gesagt: Bei PEGIDA ist nicht drin, was draufsteht.

Da werden im Internet-Thesenpapier unter anderem kostenintensive Maßnahmen zugunsten von Flüchtlingen gefordert, aber gleichzeitig beklagt PEGIDA-Initiator Lutz Bachmann auf der Demo das Schicksal armer deutscher Rentner in unbeheizten Wohnungen, die sich noch nicht mal ein Stück Stollen leisten können, während Asylsuchende in angeblich luxuriös ausgestatteten Unterkünften residieren. Und wie passt es zusammen, dass PEGIDA nicht gegen integrierte Muslime sei, Orgateam-Mitglied Siegfried Däbritz aber an anderer Stelle von „mohammedanischen Ziegenwämsern“ spricht und sämtliche Strömungen des Islam als Gefahr für das zivilisierte Europa bezeichnet?

Zwei Beispiele von vielen. Wer sich selbst ein Bild von dem Geist machen will, der PEGIDA beseelt, muss nur eine der vielen Bürgerversammlungen besuchen, zu denen die Stadt Dresden aktuell wegen der Planung neuer Asylunterkünfte einlädt. Da ist dann bei vielen Teilnehmern keine Rede mehr davon, dass die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen Menschenpflicht sei, wie von PEGIDA postuliert. Stattdessen gibt es immer wieder Szenenapplaus von bürgerlichen Anwohnern für bürgerliche Anwohner, wenn sie Asylanten einen grundsätzlichen Hang zu Kriminalität und Schmarotzertum unterstellen.  Ich kann nicht belegen, dass sich die 15.000 „Spaziergänger“ nicht zuletzt aus dieser Klientel rekrutieren – die Vermutung liegt jedoch mehr als nahe.

Die vielen unwidersprochenen Facebook-Kommentare, entlarvende Aussagen von PEGIDA-Initiatoren und -Organisatoren, das vorherrschende Klima bei Bürgerversammlungen rund um das Thema Asyl, die faktisch fehlende Abgrenzung gegen rechts (Bachmann klickt auf Facebook auch gerne mal bei NPD-Verbänden auf „gefällt mir“): Ich kann zu keinem anderen Schluss kommen, als dass im Hinblick auf das PEGIDA-Thesenpapier der Wolf Kreide gefressen hat. Oder um es biblisch auszudrücken: Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über. Auch, wenn man die Dinge an prominenter Stelle aus taktischen Gründen anders darstellt.

Mir geht es hier übrigens nicht um Political Correctness* – reale Probleme muss man ansprechen dürfen. Eine Sharia-Polizei wie neulich in Wuppertal, das geht auf keinen Fall. Aber Fakt ist auch: Sachsen droht bei 0,7% muslimischem Anteil an der Gesamtbevölkerung keine Islamisierung und die viel zitierten „westdeutschen Verhältnisse“ sind – egal, wie man sie beurteilt – im hohen Maße auf die Anwerbung von Gastarbeitern vor allem in den 60er Jahren zurückzuführen. Letzteres ist ein eigenes Thema, über das es viel zu sagen gäbe, in jedem Fall kann man aber die damalige Situation nicht mit der heutigen Einwanderungs- und Asylpolitik vergleichen.

Mein persönliches Fazit: Vieles, was bei PEGIDA auch und gerade von der Spitze her gesagt und gedacht wird, ist menschenverachtend und erfordert klaren Widerspruch. Das ist für mich als Christ alternativlos**. Trotzdem bleibe ich bei meiner Eingangsthese, dass nicht alle PEGIDA-Sympathisanten rechtsextrem, sondern häufig im bürgerlichen Lager verortet sind. Das beruhigt mich jedoch keineswegs. Tatsächlich ist die Salonfähigkeit des Ganzen für mich das eigentlich Erschreckende daran. Fragt sich nur, wie man damit umgehen soll.

Totschweigen oder diffamieren haben bisher jedenfalls nirgendwo hingeführt. Auch Verweise auf die in diesem Kontext etwas, nun ja, problematische Biografie Bachmanns fruchten nicht. Tatsächlich muss man ja sagen: Zum Glück ist er jemand mit dieser Lebensgeschichte – wer weiß, wie viele Leute er mobilisieren könnte, wenn er nicht 1998 vor einer Haftstrafe nach Südafrika geflüchtet wäre und damit selbst verkörpert, wogegen PEGIDA eben auch demonstriert. So weit, so amüsant. Doch das Problem der Fremdenfeindlichkeit in Teilen unserer gesellschaftlichen Mitte bleibt und wird sicher auch noch da sein, wenn schon längst keiner mehr von PEGIDA redet.

*Ich weiß, ich weiß, das sagen alle naiven Gutmenschen. So wie alle Rassisten sagen, dass sie keine Rassisten sind.

**Nein, ich bin trotz Lieblingswort der Kanzlerin kein CDU-Wähler.

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